Paris
1.10.2010 - 30.09.2011
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Kalendericon10.10.10 (19:19 Uhr)
NewsDie ersten Tage in Paris
(Ankommen)

Bonjour,

herzliche Grüße aus Paris.

Nachdem ich in der ersten Woche eine Menge Organisatorisches zu erledigen hatte, möchte ich nun heute meinen ersten Blogbeitrag verfassen.

Hier angekommen bin ich am 1. Oktober mit einem größeren Kombi von Sixt. Erfreulicherweise hatte Sixt in Dresden ein französisches Auto aufgetrieben, so daß mir die Einwegmiete erspart blieb und ich relativ kostengünstig meinen Krempel, u.a. mein Fahrrad, nach Paris fahren konnte. Die Strecke habe ich in zwei Etappen zurückgelegt, am 30.09. bin ich nach Aachen gefahren und habe bei einem Freund übernachtet, um dann in aller Frühe am 1. Oktober nach Paris weiterzufahren. Um 9 Uhr, als ich mich der Stadt näherte: Stau, Stau und nochmals Stau. Der gesamte boulevard périphérique war vollkommen verstopft, Unfall, Baustelle usw. Nach quälenden 1.5h war ich dann in der Nähe meiner Unterkunft angekommen, konnte aber noch nicht in das Zimmer, da dieses erst um drei bezugsfertig war. Also habe ich das Auto am gare de l'est für sündhaft teure 14.50 EUR für etwa 3h abgestellt und bin erstmal zum Institut gefahren.

Das ESPCI von außen
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Die Franzosen mögen alle möglichen Abkürzungen, es können dero nicht genug sein: Unser Institut heißt LPEM (laboratoire photons et matière), unser spezielles Labor ist das LPQ (laboratoire physique quantique). Diese sind an die ESPCI (ecole supérieure de la physique et de la chimie industrielle de la ville Paris) angegliedert. Mein Arbeitsvertrag jedoch besteht mit dem CNRS (centre national de la recherche scientifique), usw. usf. Das mag zwar alles sehr eindrucksvoll klingen - besonders aufgrund der Tatsache, dass die ESPCI ein Teil des sogenannten ParisTech ist, einer grande école (französische Elitehochschulen) für ingenieurs- und naturwissenchaftliche Studiengänge -, das Labor ist aber ziemlich heruntergekommen. Die Farbe blättert von den Wänden, es gibt kaum Werkzeug, Messgeräte, Arbeitsmittel. Nur ein Beispiel: Die Hochschule ist so unterfinanziert, dass sie sich keine Schlüssel leisten kann. Also stand die Sekretärin ca. 30 Minuten an meiner Tür und hat mit Schleifpapier einen Schlüssel für mich "geschliffen". Un dieser passt auch wirklich nur sehr leidlich ... Aber, es ist ein historischer Platz: In diesen Räumen hat Piere und Marie Curie das Radon entdeckt (und damit mehr oder weniger die Radioaktivität). Die beiden liegen übrigens nur wenige Straßen weiter im Phantéon, der französischen Ruhmeshalle, begraben.

Mein Büro
bild1

Nachdem ich anschließend meinen Arbeitsvertrag erhalten hatte, bin ich wieder zum gare de l'est, hab das Auto geholt und bin zu meiner Unterkunft gefahren. Dort habe ich mich zunächst angemeldet, wieder ein Dutzend Formulare erhalten, musste zwei Fotos abgeben (ja Fritzi, in Frankreich braucht man wirklich noch für alles Fotos), Unterschriften leisten usw. usf.; dann habe ich meine Sachen schnell hochgetragen (ich habe die ganze Zeit im Halteverbot gestanden) und wollte nur noch eins: Das Auto so schnell wie möglich loswerden. In Paris Autofahren ist die absolute Hölle. Die Straßen sind eng, dutzende Motorräder, Fahrräder und Fußgänger quetschen sich bei rot, grün, gelb, egal welcher Ampelfarbe zwischen den Autos durch, es wird rechts, links (oben, unten?) überholt, gehupt, geblinkt, gebremst. Es erscheint mir immer noch als Wunder, dass ich das (für mich ungewöhnlich große) Auto heil wieder zur Abgabestelle geschafft habe ... Ich habe selten so geschwitzt. Als ich aus dem Auto ausgestiegen bin, hatte ich ein klatschnasses T-shirt (kein Scherz), das war wohl der Angstschweiß ;)

Meine Unterkunft von außen


Das Bassin de la Vilette


Mein Zimmer


Das Zwischengeschoß


Am Samstag, den 2.10. war ich gleich auf eine Party eingeladen. Korrekter wäre es zu sagen, dass mein Chef zu einer Party eingeladen war und gefragt hat, ob ich mitkommen darf. Die Nacht vom Samstag zum Sonntag war die sogenannte "nuit blanche", die weiße Nacht. In dieser Nacht haben Museen, Restaurants, Bars, alle möglichen kulturellen Einrichtungen, Theater usw. von abends 8 Uhr bis morgens 8 Uhr geöffnet - die Nacht wird also zum Tag gemacht, daher der Name "weiße Nacht". Und an diesem Tag hat eine Freundin meines Chefs Geburtstag (nach-)gefeiert. Deren Appartement war auf dem boulevard de Clichy, zwei Häuser neben dem moulin rouge. Also eine unglaubliche Lage! Die Party war entsprechend mondän und irgendwie ein bisschen surreal. 50% der Gäste waren Architekten (wie die Gastgeberin) und arbeitete überall in der Welt (China, Rio, Tokio, sag ich nur). Außerdem gab es eine Korrespondentin für eine Architekturmagazin aus Genua, einen Kinobetreiber uvm. Komischerweise waren fast alle alleinstehend, ehrlich gesagt, habe ich bis auf das gastgebende Pärchen und meinen Chef kein einziges Paar gesehen. Das fand ich merkwürdig, weil bis auf wenige Ausnahmen alle Teilnehmer um die 50 Jahre alt waren. Aber auch in Paris kochen die Leute nur mit Wasser und ich musste schmunzeln, dass es bei der Party zuging wie bei jeder Party in Dresden auch: Es gibt schüchterne, die alleine rumstehen, Leute, die sich am Buffet rumtreiben. Grüppchenbildung auf dem (Raucher-)Balkon, einige mutige, die tanzen ...

Das Wochenende drauf habe ich etwas meine Gegend erkundigt. Mein Unterkunft befindet sich im 19. Arrondissement, also im Nordosten der Innenstadt. Es ist wirklich schön hier. Das Haus liegt direkt an einem Kanal (bassin de la vilette), auf dem viele Ausflugsdampfer tuckern. Dieses "Bassin" ist über den canal st. martin und viele historische Schiffshebewerke mit der Seine verbunden. Die Leute joggen, sitzen da, lesen, entspannen abends und wochenends mit einer Flasche Wein rund um das Wasser. Außerdem ist hier in der Nähe der "buttes chaumont", ein Park der von Haussmann angelegt wurde und ein wenig an den Central Park in New York erinnert, mit Grotten, kleinen Schlösschen, künstlichen Bergen usw. Direkt neben meiner Unterkunft ist ein jüdisches Kulturzentrum (ich glaube, es ist keine Synagoge), scheinbar ein orthodoxes, denn man sieht sehr viele schwarz gekleidete Herren mit Hut, Schläfenlöckchen und Gebetsschal, die vor allem samstags da hineinströmen. Sehr spannend, so ein lebendiges jüdisches Leben habe ich bisher nur in Israel gesehen.

Butte Chaumont


Meinen Arbeitsweg bestreite ich übrigens mit dem Fahrrad (ca. 7km). Dieser führt mich an dem schon angesprochenen canal st. martin vorbei. Dieser ist durchgehend mit einem Radweg versehen und sonntags sogar für autofahrer ganz gesperrt. Der einzige Knackpunkt ist der gigantische Kreisverkehr an der Bastille, wo immer totales Chaos herrscht. In Paris gibt es seit einigen Jahren eine regelrechte Fahrradoffensive. Es gibt die sogenannten vélib- (ein Kunstwort aus vélo, Fahrrad und liberté, Freiheit) Stationen an jeder Ecke. Dort kann man sich für kleines Geld ein Fahrrad nehmen und an jeder anderen beliebigen Station wieder abgeben. Die erste halbe Stunde ist sogar kostenfrei. Dieser Service wird enorm gut angenommen, man sieht die vélib überall. Außerdem gibt es (mittlerweile?) sehr viele Fahrradwege und meistens sind die Busspuren für Fahrräder freigegeben. Auch viele Einbahnstraßen darf der Radler gegen die Fahrtrichtung nutzen. Zudem gibt es jeden Sonntag, wie oben schon erwähnt, die Aktion "Paris atmet", an diesem Tag sind viele Straßen ganz für den Autoverkehr gesperrt.

In meiner ersten Arbeitswoche hatte ich noch einige Formalien zu erledigen, under anderem meinen Badge (hier "Battsch" ausgesprochen) zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen, meine Mensakarte zu besorgen, sodass ich noch gar nicht viel Zeit hatte, Paris zu entdecken. Lediglich gestern (Samstag, den 9.10.) bin ich ein wenig mit dem Fahrrad durch die Stadt gefahren. Es war hier sonnig und 25° warm; habe ein wenig in den Tuilerien-Gärten Reiseführer gelesen und bin anschließend noch einkaufen gegangen. Und jetzt gerade komme ich von einem kleinen Ausflug zur notre dame zurück, dort finden nämlich jeden Sonntag kostenlose Orgelkonzerte statt. Heute spielte eine Russin Werke von Gedicke, Bach und Mouchel.

Au revoir,

Guido

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